Europa. Damals der Dreißigjährige Krieg und dessen unmittelbaren Folgen. Wir finden heute ein weitergewandeltes Europa vor - nach der Aufklärung und der Konstitutionalisierung und Demokratisierung, nach dem verheerenden zweiten „Dreißigjährigen Krieg“ von 1914 bis 1945, nach dem Ostwestkonflikt, der Vereinigung Europas und den Herausforderungen in Zeiten des Populismus und der Radikalisierung in so vielen Bereichen. Europa als ein Kontinent, in dem alle Menschen ihr jeweiliges Land, ihre Stadt, ihre Region „Heimat“ nennen können. Europa als Hort von Frieden und Freiheit. Europa und Heimat - Ein Thema, zu groß für diesen Blog? Ich meine: Nein. Heimat ist ein Menschenrecht. Jede/r von uns sollte daher zum Thema Heimat sprechfähig sein und zusammenfassen können, was für sie und ihn Heimat ist. Sonst überlassen wir hier das Feld den Populisten. AfD-Chef Alexander Gauland, dieser Populist, der die bürgerlichen Parteien jagen will und in seiner Partei offen rechtsextreme Positionen duldet, ist hier auf seine Weise sprechfähig. Unter dem Stichwort „Warum muss es Populismus sein?“ schildert Gauland heute in der F.A.Z. seine Sicht auf die Heimat und ihre Gefährder. Eine globale, urbane Elite hätte sich – so Gauland – gebildet mit „Weltbürgern“, deren Bindung an ihr jeweiliges Heimatland schwach sei. Eine „abgehobene Parallelgesellschaft“ sei entstanden. Aus seiner Sicht sei es erforderlich, die Menschen der bürgerlichen Mittelschicht und die von ihm sogenannten „einfachen Menschen“ zu schützen: Dies seien die Menschen, für die Heimat noch immer ein Wert an sich sei und die als erste ihre Heimat verlören, weil es ihr Milieu sei, in das die Einwanderer strömten. Im Penthouse sehe die Globalisierung sehr viel freundlicher aus als in der Sozialwohnung. Hier wird ein eklatanter Missstand - die Verantwortungslosigkeit von Vorständen und Investoren in der internationalen Finanzkrise und in anderen Wirtschaftsskandalen - genutzt, um gegen "die da oben, gegen die "Eliten", gegen alles Ausländische, letztlich auch gegen die Europäische Union und natürlich den Euro zu agitieren. Geht es Gauland um die Spaltung des Volkes, die er für die AfD nutzen will? Es scheint fast so. Was Gauland nicht sagt: Drei Viertel der Deutschen meinen laut Euro-Barometer, dass sie von Europa profitieren. Drei Viertel der Deutschen meinen, dass ihre Stimme in Europa etwas zählt. Bei allen Vorbehalten gegen die Euro-Rettungspolitik und gegen die Brüsseler Bürokratie: Europa ist beliebt wie nie! Europa ist alles andere als ein Elitenprojekt! Was Gauland nicht sagt: Über die Flüchtlingspolitik hat es bereits eine Volksabstimmung gegeben, nämlich die Bundestagswahl 2017. Selbst im September 2018 findet die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin noch eine deutliche Zustimmung (Quelle: Statista). Man muss ja nicht alles gut finden. Ich bin ein Mahner in der Flüchtlingspolitik, wo wir den Rechtsstaat aus den Augen zu verlieren drohen. Richtig ist: Ja, es gibt Missstände, die wir beseitigen müssen. Der Rechtsstaat muss konsequent durchgesetzt werden! Wir müssen neben innerer und äußerer und sozialer Sicherheit auch kulturelle Sicherheit gewährleisten. Und es gilt, den "bevorstehenden Ansturm afrikanischer Flüchtlinge auf Europa" in den Blick zu nehmen, wie es der Afrikanist Stephen Smith in der "Zeit" der letzten Woche tut:
Ich bin sicher, dass die Deutschen sehr wohl beides wollen: Rechtsstaatliche Politik zur Durchsetzung des Menschenrechts, auch des Asylrechts, und zugleich die selbstbestimmte Organisation unseres Gemeinwesens innerhalb eines freiheitlichen, offenen Europas (einschließlich klarer Zuwanderungsregeln und Außengrenzen). Deshalb sollten wir gerade auch die Errungenschaften der Öffnung innerhalb Europas sehen: Das freie Reisen vom Nordkap bis Südeuropa. Den Frieden, den wir in weiten Teilen Europas seit Jahrzehnten genießen. Ferien in Schweden und Spanien, Sprachkurse in England und Frankreich, Auslandssemester. Unternehmen, Experten und Arbeitskräfte aus allen Teilen Europas. In anderen Worten: Freizügigkeit für Privatleute, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für Unternehmen und Kapital. All dies ist auch ein wesentlicher Pfeiler für unseren Wohlstand in Deutschland. Und es ist gerade kein Elitenprojekt, sondern breit in der Bevölkerung verankert. Wir alle können davon profitieren. Europa steht für Vielfalt und nicht für eine Spaltung in "die Eliten" und ein völkisch-geordnetes Einerlei. In diesem Sinne dürfen wir uns nicht in die Spaltung unseres Landes treiben lassen. Wir müssen Missstände benennen und beseitigen (durch Gesetzgebung, Verwaltungsvollzug, Regulierung - und strafrechtliche Verfolgung wo nötig). Und wir müssen unser Gemeinwesen stärken. Dafür engagiere ich mich in der Politik und in gemeinnützigen Organisationen. Damit wir an die Errungenschaften in unserem Land und in Europa anknüpfen können: Frieden, Freiheit, Demokratie, Sicherheit, Wohlstand. In diesem Sinne bin ich gerne ein "Hamburg-Botschafter" in und für Europa.
Am 3. Oktober 1990 wurde das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung wieder vereint. Welch ein unbeschreibliches Fest!
Schon damals waren alle Beteiligten Getriebene, auch Helmut Kohl, der Kanzler der Einheit. Auf den Demonstrationen wurde intoniert: "Kommt die D-Mark bleiben wir. Kommt sie nicht, geh'n wir zu ihr." Die Einbindung des wiedervereinigten Deutschlands in den Westen und in damit auch in die NATO war ein diplomatisches Meisterstück. Zuerst also Freiheit und westliche Wertebindung. Schon lange aber beschäftigt uns auch das Thema Sicherheit. Der Veränderungsdruck in unserer Gesellschaft, im Westen insgesamt, lässt die Menschen in allen Teilen Deutschlands fragen: Was ist noch sicher? Worauf kann ich mich verlassen? Was macht Deutschland aus? Es geht um Sicherheit, und hier ist gerade auch der Staat herausgefordert:
In vielen Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern spüre ich: Die Frage nach der kulturellen Sicherheit und Identität treibt nicht nur die änderungsgeplagten Ostdeutschen um, sondern uns alle in Ost und West! Die Fragen, die ich gehört habe, lauten zum Beispiel:
Meine Meinung: Zunächst ist es wichtig, dass die genannten Fragen auch tatsächlich gestellt werden. Dies sind Alltagsthemen der Menschen: Bildung, finanzielle Absicherung, Technisierung, Migration, Pflege. Es ist nicht das Privileg der AfD, diese Themen aufzugreifen. Im Gegenteil! Es ist seit Jahrzehnten erfolgreiche Politik der CDU, dicht am Alltag dran zu sein und auch die kulturelle Sicherheit in den Blick zu nehmen! Wir müssen dabei nicht zuletzt auch die Fragen der Bürger aufgreifen, denen die Veränderungen zu schnell gehen, und wir müssen überzeugende Antworten geben! Die Antworten werden wir aus unserer christlich-abendländischen Geschichte, aus der Aufklärung und aus den Normen und Erfahrungen in unserer freiheitlichen, demokratischen Gesellschaft entwickeln. Mit klarer Wertebindung. Nur so können wir auch die kulturelle Sicherheit in unserem Land gewährleisten. Dazu gehört das ehrliche, offene Gespräch, um die Sorgen und Probleme im Alltag zu verstehen und praxistaugliche Lösungen zu entwickeln. Dazu gehört das Verständnis für die langen Linien, für die Bräuche und Traditionen. Dazu gehört Transparenz. Die Entscheidungen müssen erklärt werden, damit nicht der Eindruck entsteht, "die da oben" seien entrückt und inkompetent. Dazu gehört auch, dass wir die breite Bevölkerung in den Mittelpunkt unserer Politik stellen - mit all ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden, mit dem Sinn für den gesellschaftlichen und sozialen Ausgleich. Und dazu gehört schließlich auch ein weithin konsentiertes Verständnis dessen, wofür der Staat zuständig ist - und wofür nicht. Denn Teil der Freiheit ist immer auch die Eigenverantwortung der Bürger. Aber da, wo der Staat unser aller Sicherheit garantieren muss - bei Gefahren und im Sozialen -, da muss der Staat handlungsfähig sein und entschieden handeln! Ist der Staat auch im Bereich der kulturellen Sicherheit gefragt? Mir ist bewusst, dass der Staat hier nur eingeschränkt normativ wirken kann. So hat Ernst-Wolfgang Böckenförde formuliert:
Aber die Diskussion, aus welchen traditionellen Quellen sich unser Gemeinwesen speist und welche Maßnahmen Staat und Gesellschaft ergreifen sollten, um die kulturelle Sicherheit der Bürger schützen zu können, müssen wir führen. Diese Diskussion dürfen wir nicht den Populisten überlassen, denn sonst wird sie zu Lasten der Freiheit entschieden. Für diese Diskussion sind wir Demokraten zuständig.
Schäuble brilliert wieder einmal rhetorisch und spricht mir damit aus dem Herzen: "Die letzten Wochen haben uns vor Augen geführt, dass im Teil unserer Bevölkerung Verunsicherung wächst und dass sich die Gesellschaft spaltet.“ Für Ausländerfeindlichkeit, Hitlergrüße, Nazi-Symbole oder einen Angriff auf ein jüdisches Restaurant dürfe es aber „weder Nachsicht noch verständnisvolle Verharmlosung“ geben. „Das Gewaltmonopol des Staates und die Durchsetzung des Rechts sind nicht relativierbar.“ Auch Frau Giffey hat mich beeindruckt! "Je niveauloser andere werden, desto mehr Niveau müssen wir beweisen,", sagt sie unter Bezugnahme nicht nur auf das unsägliche Verhalten der AFD im Bundestag, sondern auch an die Adresse derjenigen, die sich selber im Ton vergreifen, wenn sie auf die Entgleisungen anderer reagieren. Klar, Politik braucht eine deutliche Sprache. Aber auch hier gilt: Auch die Würde des Andersdenkenden bleibt unantastbar. Zwei Punkte:
Um es klar zu sagen: Wo ich eine andere politische Position für falsch halte, werde ich dies benennen. Ich werde deutlich machen, warum ich meine, die besseren Argumente zu haben. Ich werde den politischen Streit austragen. Ich werde immer wieder Rechtsstaat, Demokratie und sozialen Ausgleich einfordern. Dabei - das ist mir klar - werden manche auf Fundamentalopposition setzen. Aber wir müssen uns hüten, den politischen Gegner zu verunglimpfen. Dann leidet die politische Kultur. Wenn die Radikalen und Extremen uns provozieren, dürfen wir ihnen nicht auf den Leim gehen und selber die Regeln des politische Anstands verletzen. Ich bin sicher, dieses Vorgehen - immer wieder die parlamentarische Demokratie und den Rechtsstaat einfordern und auch den politische Diskurs an dessen Regeln ausrichten - sichert langfristig stabile Verhältnisse in unserer Gesellschaft und in unserem ganzen Land.
Wir müssen die Pressefreiheit schützen.
Auch und gerade, wenn uns andere Meinungen nicht passen!
Natürlich kommt es darauf an, dass sich Geflüchtete mit Aufenthaltsrecht fest auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung stellen, wenn sie hier bleiben wollen. Das ist der Kern der Integration. Aber schon der Ausdruck "Ghetto-Kinder" ist erbärmlich. Doch das ist nicht alles, wie die New York Times schreibt: Dänemarks Regierung führe ein Sonderrecht für 25 Kommunen ein, in denen das Einkommen niedrig, die Arbeitslosigkeit hoch und der Glauben überwiegend muslimisch ist. Wenn dort keine freiwillige Integration erfolge, müsse sie erzwungen werden. In der Planung:
Dieser Kompass für die Ausrichtung der Integration an unseren westlichen Werten ist der entscheidende Punkt, wo uns Demokraten die Abgrenzung von den Populisten gelingen muss, in der politischen Diskussion ebenso wie in der Schule, im Sportverein und zuhause bei der Diskussion im Familienkreis. Rechtsstaat und Demokratie werden im Diskurs gesichert und vertragen keine Vereinfachungen, bei denen die Menschenrechte anderer auf der Strecke bleiben. Wenn Trump sagt: "Einzig entscheidend ist die Einheit des Volkes. Alle anderen Menschen zählen nicht", dann ist der zweite Satz exakt das, was wir als Demokraten nicht tolerieren dürfen.
Also: Entscheidend ist ein Kompass der Integration in Deutschland und Europa, der sich an Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaat ausrichtet. In allen staatlichen Maßnahmen, aber auch in der Sprache, die wir in der politischen Diskussion pflegen.
Wer sich selbst an die Stelle demokratischer Institutionen setzt, wer vorgibt, den selbsternannten "Volkswillen" zu verkörpern und deswegen legitimiert zu sein, den Rechtsstaat auszuhebeln, beschädigt die Kultur des Westens. Wer Partner, Vereinbarungen, tragende Werte einfach niedermachen kann, zerstört die Grundlage unserer freiheitlichen Ordnung. Meine Sorge ist, dass die politische Unkultur des gegenwärtigen US-amerikanischen Präsidenten dessen Amtszeit überdauert, dass unsere Jugend glaubt, so dürfe das gemacht werden: Menschen diffamieren, Fakten verdrehen, Verträge in die Tonne dreschen. Aber so geht es eben nicht. Dieses Verhalten legt die Axt an die Kultur des Westens. Dabei dürfen wir eines nicht vergessen: Trump hat die amerikanische Spaltung nicht verursacht; vielmehr hat die amerikanische Spaltung Trump verursacht (vgl. Ian Bremmer, "Us vs. them", 2018). Das soll heißen: Wir müssen in unserer Gesellschaft Maß und Mitte pflegen. Zuhören. Unsere Werte vermitteln, beleben, durchsetzen. Die Menschen in der Mitte zusammenhalten. Missstände ansprechen und reparieren. Und die leuchtende Idee der Freiheit und der Demokratie als Grundlage unseres gesellschaftlichen Diskurses erhalten. Demokratie ist anstrengend. Demokratie ist eine permanente Aufgabe. Klare Leitlinien, Sachlösungen, Kompromisse: Das ist der Alltag der Demokratie. Hierzu müssen wir die Kraft aufbringen. Jeden Tag wieder. Gerade auch in der Auseinandersetzung mit Populisten, Dealmakern und Autokraten.
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